
Was einen Beamten im Strafvollzug zu einem Master in Marketingkommunikation bewegt: Interview mit Wolfgang Wister
Erzählen Sie uns von Ihrem beruflichen Werdegang. Wollten Sie schon immer Kommunikationsexperte werden?
Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch, beruflich aber als Quereinsteiger in die Branche gekommen. Ich habe Einzelhandelskaufmann gelernt, weil mein Ziel mit fünfzehn Jahren war, wie meine Freunde einfach einmal Geld zu verdienen. Danach war ich beim Bundesheer und habe in den folgenden Jahren an Auslandseinsätzen in Syrien, Israel, Bosnien und im Libanon teilgenommen. Heute bin ich Beamter im Exekutivdienst, arbeite in der Justizanstalt Graz-Karlau und habe unlängst die Ausbildung zum dienstführenden Beamten (E2a) abgeschlossen. Derzeit befinde ich mich in Ausbildung zum leitenden Beamten (E1) im Exekutivdienst.
Da waren Sie ja ganz schön umtriebig. Was hat Sie dazu bewegt, neben Beruf und Fortbildungen auch noch ein akademisches Studium zu absolvieren?
Ein Studium wollte ich immer schon machen, zuerst musste ich aber meine Matura (Abitur) im zweiten Bildungsweg nachholen. 2018 wurde ich auf die Hochschule Burgenland und die Möglichkeit aufmerksam, online zu studieren. Ich habe mich über den Weg zum Master of Business Administration (MBA) in Projekt- und Prozessmanagement informiert und dann einfach gestartet.
Das klingt voller Tatkraft…
(lacht) Ja, so bin ich. Ich habe damals tatsächlich in der Mindeststudienzeit meinen Master mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen – aber genug hatte ich danach noch immer nicht. Mich hat der Ehrgeiz gepackt, und ich habe mich für das Fernstudium an der eLearning Academy angemeldet. Ich bin quasi ein „Wiederholungstäter“ und durch und durch begeistert von diesem Studium!
Wie schaffen Sie es, Ihr Studium, diverse Fortbildungen und auch noch Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bekommen?

Ich versuche immer, meinen Beruf mit meinen Studien in Einklang zu bringen. Der österreichische Strafvollzug mit seinem inzwischen großen interkulturellen Hintergrund hat sehr viel Potenzial in der Produktion von Waren und Dienstleistungen – und will diese auch an die Öffentlichkeit bringen.
Wenn Bürgerinnen und Bürger an Gefängnisse denken, sind die Bilder meist negativ geprägt. Erst letzte Woche war die Justizanstalt Graz-Karlau in der Zeitung, weil Insassen versucht hatten auszubrechen – sie wurden aber noch am Anstaltsgelände festgenommen. Für die Öffentlichkeit bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr. Den vielen positiven Beispielen gelungener Resozialisierung wird hingegen viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Und das möchte ich ändern: Was passiert in einer Justizanstalt? Wie verbringen Insassinnen und Insassen ihre Zeit in Haft? Welche Möglichkeiten haben sie zur Aus- und Weiterbildung – und später am Arbeitsmarkt?
Wir bieten Insassinnen und Insassen die Möglichkeit, auch „hinter Gittern“ einer Beschäftigung nachzugehen, ja sogar eine Lehre, einen Schulabschluss oder ein Studium zu absolvieren. Außerdem suchen wir immer wieder Kooperationen mit Unternehmen, die Freigänger beschäftigen. Mir ist Transparenz besonders wichtig – und die Justiz leistet hier sehr gute Arbeit.
Können Sie uns ein Beispiel oder Projekt nennen, für das Sie Ihr neu erworbenes Kommunikationswissen einsetzen möchten?
Ja, Produkte, die von Insassinnen und Insassen hergestellt werden, werden unter anderem im Onlineshop Jailshop angeboten. Ziel meines Studiums der Crossmedialen Marketingkommunikation könnte es sein, diese Produkte noch besser zu vermarkten und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Auch der soziale Hintergrund des Verkaufs sollte stärker kommuniziert werden – denn mit dem Erlös werden die Reintegration von Straftäterinnen und Straftätern in ganz Österreich unterstützt. Der Onlineshop ist eine Initiative des Bundesministeriums für Justiz (BMJ).
Bleiben wir beim Thema Wiederholungstäter: Sie belegen mit dem Master in Marketingkommunikation bereits Ihr zweites Fernstudium. Warum?
Eindeutig wegen der Flexibilität des e-Learning-Systems. Ich habe keine Präsenzveranstaltungen und muss zu keiner bestimmten Zeit an Prüfungen teilnehmen. Viele Studierende haben während der Coronakrise die Einschränkungen gespürt – ich selbst habe in Bezug auf mein Studium davon nichts mitbekommen. Ich kann immer und überall studieren, und das ist ein immenser Vorteil, den ich sehr schätze.
Gemäß dem Motto „Studier’ doch, wann und wo du willst“ – wo lernen Sie am liebsten?
Ich bin ein klassischer Papier-Lerner und kann am Bildschirm nicht so gut lernen. Deshalb drucke ich mir die Skripten kapitelweise aus, lese sie auf Papier und sehe mir ergänzend die Videos an. Danach lerne ich wieder am Papier weiter.
Sie sind also ein Schreibtischtäter?
(lacht) Am Wochenende schon – da lerne ich zu Hause in meinem Arbeitszimmer. Unter der Woche pendle ich mit dem Zug und nutze diese Zeit effizient. Selbst zwischendurch kann ich am Handy den Online-Campus öffnen, Videos ansehen oder Skripten wiederholend durchlesen. Das ist einer der großen Vorteile dieses Studiums.

Wollen Sie uns noch von einem oder zwei Highlights Ihres Masterstudiums erzählen?
Jedes bestandene CheckUp ist für mich ein Highlight – ein Meilenstein. Ich kann mich sehr darüber freuen, und sie helfen mir, den Fokus richtig zu setzen und mein Wissen zu überprüfen. Selbst wenn ich beim ersten Versuch nicht alle Fragen richtig beantworte, habe ich die Möglichkeit, mir die Inhalte erneut anzusehen und es nochmal zu probieren. Das nimmt den Druck und hilft uns Studierenden wirklich weiter.
Ein weiteres Highlight sind definitiv die Videos der Dozentinnen und Dozenten. Die Inhalte sind top organisiert und umgesetzt. Besonders die Videos von Frau Prof. Ettl-Huber zum Thema Storytelling sind so plastisch und lebendig, dass ich tatsächlich das Gefühl hatte, sie spricht direkt zu mir. Ich bin wirklich begeistert!
Sie wirken durch und durch motiviert. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung eines Online-Studiums?
Definitiv die Anmeldung! Also nicht technisch, sondern die Entscheidung: Soll ich, oder soll ich nicht? Ich habe es bereits zweimal getan und kann jedem empfehlen: Mach es einfach! Denn das Beste, was einem passieren kann, ist ein Studium zu absolvieren. Es steht ein ganzes Support-Team bereit: Studierendenberatung und -betreuung, Dozentinnen und Dozenten, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Technik und Administration. Ich bin nie alleine und kann immer mit Unterstützung rechnen.
Außerdem weiß ich von Anfang an, was auf mich zukommt, wie geprüft wird und was ich bis wann abschließen möchte. Ich habe eine klare Zielsetzung und bin motiviert. Also mache ich es!
Apropos Zielsetzung: Wann möchten Sie mit Ihrem Master fertig sein?
Da ich nebenbei noch eine andere Ausbildung mache, werde ich vermutlich zwei Jahre brauchen – aber das ist eine absehbare Zeit. Ich kann jedem empfehlen, vor Studienbeginn mit der Familie Rücksprache zu halten. Mit Unterstützung für die nächsten ein bis zwei Jahre fällt das Studium deutlich leichter.
Stichwort Selbstdisziplin: Wie stehen Sie dazu?
Ich bin intrinsisch motiviert. Ich studiere nicht für ein höheres Karriereziel oder wegen des Geldes, sondern weil mich das Thema interessiert. Wenn ich etwas spannend finde, muss ich mich nicht überwinden. Vor meinem Studienbeginn wusste ich kaum etwas über PR, fand das Thema aber faszinierend – also habe ich mich mit Begeisterung auf die Skripten gestürzt. Oder: Ich wusste bis vor einem Monat nicht, was Storytelling ist, obwohl man in der Praxis ständig damit zu tun hat. Mit dem neu erworbenen Wissen nehme ich Geschichten im Radio oder Fernsehen ganz anders wahr. Kommunikation ist überall – und wer Kommunikation studiert, sollte auch Freude an der Kommunikation mitbringen.
Ist das der Grund, warum Sie sich so stark für die Vernetzung der Studierenden einsetzen?
Richtig! Das – und die Möglichkeit, sich gegenseitig zu helfen. Für mich spielen Gruppendynamik und Vernetzung eine wesentliche Rolle. Ich selbst bin nicht auf Facebook aktiv, finde aber, dass der Name des Studiums Programm sein sollte: Kommunikation sollte auch unter den Studierenden gelebt werden.
Vor einiger Zeit habe ich mit einer Kommilitonin beschlossen: „Gehen wir das an!“ Wir haben der Facebook-Gruppe neues Leben eingehaucht und eine WhatsApp-Gruppe gegründet, um uns gegenseitig zu motivieren, zu helfen und die Vorteile eines Online-Studiums mit jenen eines Präsenzstudiums zu verbinden. Mittlerweile treffen wir uns sogar regelmäßig in virtuellen Räumen – eine Art Netzwerktreffen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus fünf verschiedenen europäischen Staaten. Wie großartig ist das?
Wie kann man sich das vorstellen? Was wird in dieser WhatsApp-Gruppe besprochen?
Das Ziel ist, sich gegenseitig zu helfen und zu vernetzen. Ich helfe gerne, nehme aber auch gerne Hilfe an. Unlängst wurde zum Beispiel eine Frage zu einer Modularbeit gestellt. Wenn ich ein Motivationstief habe und andere Studierende nach ihren Erfahrungen fragen kann, hilft mir das enorm. Ich fühle mich dann nicht alleine und lerne, wie andere ein Thema angegangen sind oder ein Problem gelöst haben.
Haben Sie einen letzten Tipp für Interessentinnen und Interessenten?
Einfach anfangen und dranbleiben!
Und ein letztes Wort an Ihre Mitstudierenden?
Viel kommunizieren, gleich durchstarten und immer die Praxis mitdenken!


